Arbeitsmoral hängt vom Handy ab

Arbeitsmoral hängt vom Handy ab

Regina Planz und Andreas Hett arbeiten mit straffällig geworden-en Jugendlichen deren Kunstwerke mitunter überraschende Feinfühligkeit und Sensibilität ausstrahlen. Foto: J. Priedemuth

Regina Planz und Andreas Hett betreuen Kunstprojekt für strafffällig gewordene Jugendliche

Von: Sybille Corell – Taunuszeitung vom 11.November 2019,

Über 850 Jugendliche haben bereits ihre Sozialstunden, zu denen sie von Jugendgerichten verurteilt wurden, bei den ,,Kunsttätern“ abgeleistet. Das in ihnen aber auch eine große künstlersche Kreativität steckt, wurde bei ihrem Atelierfest deutlich.

Die steinerne Hand hält die Weltkugel: ein Kunstwerk eines Jugendlichen, der in der Bildhauerwerkstatt Kunsttäter seine kreative Ader ausleben durfte. Die Skulptur strahlt Liebe und Fürsorge aus, und die aktuelle Diskussion um den Klimaschutz und die Aktivistin Greta Thunberg wird greifbar. Ein unfassbar deutliches Zeichen dafür, was junge Menschen heute bewegt. Hinter dem Namen ,,Kunsttäter“ versteckt sich ein ambitioniertes Projekt: straffällig gewordenen Jugendlichen wird die Möglichkeit gegeben, die als Strafe auferlegten Sozialstunden in einer Bildhauerwerkstatt zu absolvieren. Die Idee dazu stammte von dem Sozialarbeiter und Kunsttherapeuten Andreas Hett, der zusammen mit der Bildhauerin Regina Planz die „Kunstätter“ schon seit fast 20 Jahren leitet. Mittlerweile haben die beiden über 850 jugendliche Straftäter bei ihnen Arbeitsstunden begleitet.

Mehr Jungs als Mädchen

Die Bildhauerin Planz erzählt aus dem Nähkästchen: ,,Unter den straffälligen Jugendlichen waren immer mehr Jungs als Mädchen. Jungen haben einen höheren Adrenalinspiegel“, sagt sie. Viele kämen wegen Rangeleien oder Schule schwänzen zur Kunstwerkstatt. Bei Mädchen handele es sich dagegen vorwiegend um Eigentumsdelikte. Was sich über die Jahre nicht geändert habe, ist die innere Einstellung. Die meisten kennen keine Struktur“, so Planz. Es falle den Jugendlichen schwer, Vereinbarungen einzuhalten. Zwar habe heute jeder ein Handy, doch der Anruf, dass man krank ist, sei deswegen noch lange nicht selbstverständlich.

In den nun knapp 20 Jahren habe sich vor allem eines verändert: der Handygebrauch. Heute falle es den jungen Menschen extrem schwer, das Handy abzugeben und sich auf die Kunst zu konzentrieren. Für die Arbeitsmoral sei es unerlässlich, dass die Jugendlichen das Handy an einen sichtbaren Platz legen. Nur die Sicherheit der Jugendlichen, dass das (ausgeschaltete) Gerät an Ort und Stelle ist, ermögliche eine Zusammenarbeit.

Wenn die Zusammenarbeit gelingt, sind die Ergebnisse beeindruckend: Aus Speckstein entstehen Figuren, aus Draht, Stahl oder Holz werden Gebilde, Gesichter oder Mobiles. Ganze Seifenkisten und stählerne Drachen sind in den kreativen Stunden zum Leben erweckt worden. Die gemeinsame Arbeit begründe manchmal dauerhafte Freundschaften, erzählt Planz. Sie habe immer mal wieder zufällige Treffen mit Menschen, die einst als Jugendliche in der Halle der Kunsttäter“ aktiv waren. Wenn die Pubertät vorbei ist, dann wächst sich das meist aus, schmunzelt Planz zur Frage, ob es mit der Kriminalität weiter gehe.

Sinnstiftende Arbeit

Die Bildhauerin hat ihre eigene Werkstatt in Frankfurt. Sie ist auch mit Bildhauer-Kursen für Jugendliche im Strafvollzug in Rockenberg tätig. Dies sei jedoch eine ganz andere Welt. ,,Mich haben schon immer Menschen interessiert, die am Rande der Gesellschaft stehen“, sagt sie. Wenn die Jugendlichen merken, dass sie trotz allem was passiert sei, als Mensch respektiert werden, konne das zu ganz erstaunlichen Ergebnissen führen. Wenn dies gelingt, dann empfindet Planz ihre Arbeit als besonders sinnstiftend.

Andreas Hett hat ein breites Feld an Aktivitäten. Der 55-Jährige gelernte Chemielaborant hat nach Verfahrenstechnik auch Sozialarbeit studiert. Herr erzählt: „Es gab schon immer eine Unruhe in mir. Diese habe ihn zu neuen Erfahrungen gedrängt. Aus der Erfahrung einer Kunsttherapie nach einer persönlichen Krise habe sich ihm ein neues Feld eröffnet. Es folgte ein Studium der Sozialarbeit und eine Ausbildung in Kunsttherapie.

Heute ist er auch als Museums pädagoge im Sinclair-Haus in Bad Homburg, als Fortbildungsreferent für Unternehmen, als Lehrbeauftragter für Sozialarbeit und als Heilpraktiker für Psychotherapie tätig. 2017 hat er mit einem Film über seine kreative Arbeit mit Dementen einen Filmpreis gewonnen. An der Hochschule Nürtingen lehrt er nicht nur, sondern forscht zur Behandlung von Demenz. Er liebt „die Arbeit mit Jung und Alt“ Allerdings stellt er fest, dass der Abstand zwischen ihm selbst und den immer neuen 12- bis 18-jährigen Jugendlichen immer schwieriger wird zu überwinden. Für das nächste Jahr plant Hett nun das Jubiläum der Kunsttäter“. Zu unserem 20-Jährigen ist eine Feier geplant“,sagt Hett und grinst.